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#3 Blog

Möglichkeiten der Verwaltung und Finanzierung eines CO2-Pipelinenetzes in der Schweiz

Möglichkeiten der Verwaltung und Finanzierung eines CO2-Pipelinenetzes in der Schweiz

Juli 2023 – von Oliver Akeret & Martynas Bagdonas, Sustainability in Business Lab der ETH Zürich

Im August 2022 wurde im Rahmen des Pilotprojekts DemoUpCARMA zum ersten Mal CO2 von der Schweiz nach Island transportiert. Dieses wurde zuvor bei einer Abwasserreinigungsanlage (ARA Bern) aufgefangen und abgeschieden. In Island soll dies im geologischen Untergrund injiziert werden, um dort zu mineralisieren.

Die Wahl Islands als Speicherort ist kein Zufall, obschon die Transportroute somit deutlich verlängert wird. Forschungsprojekte haben gezeigt, dass das Potenzial für die Speicherung von CO2 in geologischen Formationen in der Schweiz in naher Zukunft begrenzt ist. Daher ist die Untersuchung alternativer Speichermöglichkeiten von entscheidender Bedeutung.

Nach der CO2-Abscheidung bei der ARA Bern, wird das CO2 verflüssigt und in ISO-Container mit einem Fassungsvermögen von 20 Tonnen verladen, die das CO2 bis zur Ankunft am Speicherort in flüssigem Zustand halten können. Die ISO-Container werden per Lastwagen von der ARA Bern zum Bahnhof Weil am Rhein transportiert. Von dort aus wird das CO2 zunächst per Bahn nach Rotterdam und dann per Schiff nach Reykjavik transportiert. Nach der Anlieferung in Reykjavik wird der ISO-Container per Lastwagen zur Injektionsstelle gebracht.

Vom Pilot-Transport zum Scale-Up

Dieser eher komplizierte Transportweg ist als Pilotphase des Projekts zu sehen. Das eigentliche Hauptziel des Pilotprojekts besteht darin, die generelle Machbarkeit einer CO2-Wertschöpfungskette zu beweisen, um bereits vor dem Scale-up und der weiteren Entwicklung solcher CO2-Wertschöpfungsketten mögliche technisch-ökonomische und regulatorische Lücken aufzuzeigen. Die Erkenntnisse aus diesem Pilotprojekt werden wichtig sein, angesichts der Mengen an CO2, die längerfristig in grossem Massstab abgeschieden, transportiert und gespeichert werden müssen.

In der langfristigen Klimastrategie der Schweiz wird geschätzt, dass bis 2050 jährlich sieben Millionen Tonnen CO2 abgeschieden, transportiert und gelagert werden müssen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass bis dahin nähere Lagerstätten zur Verfügung stünden, können solche CO2-Mengen nicht mehr in ISO-Containern und mit Lastwagen, Zügen oder Schiffen transportiert werden. In diesem Szenario wird ein grösseres CO2-Pipelinenetz benötigt, welches das abgeschiedene CO2 in der Schweiz sammelt und dann in ein grösseres transeuropäisches Netz überführt. Um dies zu planen, untersuchte das Sustainability in Business Lab der ETH Zürich (sus.lab) im Rahmen des DemoUpCARMA-Projekts verschiedene organisatorische und finanzielle Aspekte einer solchen CO2-Infrastruktur in der Schweiz, unter Berücksichtigung möglicher Finanzierungs- und Einnahmequellen und der Frage, wer der Eigentümer des Pipelinenetzes wäre.

Wie würde das Pipelinenetz aussehen?

Im Jahr 2021 haben Saipem und der Verband der Betreiber Schweizerischer Abfallverwertungsanlagen (VBSA) eine Studie [1] durchgeführt, die die Machbarkeit und Kosten eines CO2-Pipelinenetzes in der Schweiz analysiert. Die Studie erlaubt es, erste Schlüsse zu ziehen, wie ein solches Leitungsnetz für die sieben Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aussehen könnte, die in der langfristigen Klimastrategie der Schweiz vorgesehen sind: Es hätte eine Länge von rund 1'000 Kilometern (siehe Abbildung 1) und würde aus zwei Hauptleitungen (Ost und West) bestehen, die über kleinere Leitungen direkt mit den Emittenten verbunden wären. Die Pipelines würden in Basel zusammenlaufen, wo das Schweizer CO2-Netz schliesslich mit einem grösseren transeuropäischen Netz verbunden werden könnte. Die in dieser Studie berücksichtigten Emittenten sind solche, die mindestens 100’000 Tonnen CO2 pro Jahr ausstossen, was 32 grosse Emittenten aus schwer zu dekarbonisierenden Sektoren wie der Zementindustrie oder der Abfallverwertung zur Energiegewinnung (waste-to-energy) umfasst.

Abb. 1: CO2-Pipeline-Netzwerk in der Schweiz

 

Wie viel würde sie kosten und wer würde sie bezahlen?

In der Pipeline-Studie werden die anfänglichen Investitionskosten auf rund 3 Mrd. EUR und die jährlichen Betriebskosten auf etwa 200 Mio. EUR geschätzt. Es ist wichtig diese hohe Investitionssumme im Verhältnis mit anderen Projekten in der Schweiz anzuschauen. So beispielsweise das FABI-Ausbauprogramm des Eisenbahnnetzes (6.4 – 12.9 Mrd. CHF) oder der Bau des NEAT Gotthard-Basistunnel (23 Mrd. CHF).

Angesichts der hohen Kreditwürdigkeit der Schweiz wäre eine öffentliche Finanzierung eines solchen CO2-Pipelinenetzes aus rein finanzieller Sicht die kostengünstigste Variante. Allerdings bietet die Bundesverfassung derzeit nur die Grundlage für die Entwicklung von Energietechnologien auf Bundesebene, und es ist unklar, ob ein CO2-Pipelinenetz unter diese Definition fallen könnte. Geht man davon aus, dass die öffentliche Finanzierung auf kantonaler Ebene geregelt werden müsste, besteht die zentrale Herausforderung in der Koordination zwischen den Kantonen. In Anbetracht der zahlreichen Investitionsentscheidungen, die getroffen werden müssen, und der verschiedenen gegenseitigen Abhängigkeiten, wäre die Einrichtung einer zentralen Finanzierungs- und Eigentumseinheit wahrscheinlich notwendig, um den Prozess zu optimieren und die Gesamtkosten zu senken. In Anbetracht dieser Einschränkungen könnte auch eine (teilweise) private Finanzierung von Vorteil sein, beispielsweise um den Betrag der verfügbaren Mittel zu erhöhen, einen Teil der Risiken mit dem privaten Sektor zu teilen oder die vorhandenen operativen Fähigkeiten besser zu nutzen.

Um einen Teil der anfänglichen Investitionskosten zu amortisieren, vor allem aber um die laufenden Betriebskosten zu decken, ist es wichtig, mögliche Einnahmequellen aus dem Betrieb des CO2-Pipelinenetzes in Betracht zu ziehen. Es sind mehrere Einnahmemodelle denkbar, um einen konstanten Zahlungsstrom zu schaffen: Hauptsächlich durch Steuereinnahmen generierte Subventionen des Staates oder der Kantone würden einen Teil der Kosten auf die Gesellschaft abwälzen. Gleichzeitig könnten kostendeckende Tarife für Emittenten, die das CO2-Pipelinenetz nutzen, oder Steuern für alle emittierenden Industrien, die an die Pipeline angeschlossen werden könnten, in Betracht gezogen werden. Auch eine Mischform, die beide Modelle kombiniert, wäre denkbar. In vielen Regelwerken in Europa werden die Tarife oder Steuern für emittierende Industrien zur Finanzierung von Netzanlagen verwendet. Da die Schweizer Gesellschaft jedoch vom Klimaschutz im Allgemeinen und die betreffenden Emittenten von den daraus resultierenden CO2-Einsparungen im Besonderen profitieren sollen, könnte ein anderes oder hybrides Modell ins Auge gefasst werden.

Wie und von wem würde die Pipeline verwaltet werden?

Abgesehen von den Finanzierungsaspekten ist die entscheidende Frage, welche Art von Unternehmen das CO2-Pipelinenetz besitzen und betreiben würde, wobei auch hier die Entscheidung zwischen öffentlichem und privatem Eigentum und Betrieb liegt. Aufgrund ihrer Finanzierungsmechanismen haben Verwaltungen in der Regel niedrigere Investitions- und Betriebskosten, doch kann es ihnen an betrieblicher Effizienz mangeln, da der Betrieb von Infrastrukturanlagen in der Regel nicht zu ihren Haupttätigkeiten und Fachkenntnissen gehört. Die Beteiligung privater Akteure in Konstellationen wie einer öffentlich-privaten Partnerschaft (oder Public Private Partnership, PPP) kann dagegen zu wenig flexibel sein, da langfristige Verträge zwischen der öffentlichen Hand und privaten Unternehmen zu Lock-In-Effekten und Starrheit führen. Ein Mittelweg, der in Europa zunehmend für grosse Infrastrukturen genutzt wird, sind Modelle mit regulierten Vermögenswerten (Regulated Asset Base model, RAB). RABs ermöglichen es einem privaten oder öffentlichen Infrastrukturbetreiber, unter der Aufsicht einer unabhängigen wirtschaftlichen Regulierungsbehörde zu arbeiten. Sie kombinieren die Flexibilität staatlicher Infrastrukturen mit den Effizienzanreizen von PPPs und ermöglichen es dem Infrastrukturbetreiber, in einem monopolistischen Markt zu operieren, während er von der Regulierungsbehörde kontrolliert wird (siehe Abb. 2).

Abb. 2: Überblick über organisatorische und finanzielle Modelle für gemeinsam genutzte Netzinfrastrukturen

 

Variationen eines RAB-Modells wurden in der Schweiz für das Stromnetz und in Ländern wie dem Vereinigten Königreich eingesetzt. Hier wurde bereits bekundet, das RAB-Modell in der nationalen CCS-Strategie zu verwenden. Eine ähnliche RAB-Struktur könnte auf das CO2-Pipelinenetz in der Schweiz angewandt werden, indem die bestehenden regulierten Geschäftsmodelle an den Fall eines CO2-Netzes angepasst werden.

Ausblick

Ein Blick von der Schweiz nach Europa lässt den Schluss zu, dass die Länder zunehmend auf bewährten Praktiken des Netzinfrastrukturmanagements aufbauen, was zu einem wachsenden Interesse an der Entwicklung und Finanzierung von CO2-Pipelinenetzen führt, die nach RAB-Modellen verwaltet werden. Damit dies in der Schweiz gelingen kann, sind jedoch noch einige Fragen zu klären. So ist beispielsweise zu klären, ob die Finanzierung und Organisation auf Bundes- oder Kantonsebene erfolgen soll und welche Art von zentraler Betriebsstelle für die Infrastruktur geeignet wäre. Unabhängig davon scheint es, dass eine zentrale Stelle für die Verwaltung der Infrastruktur, die Koordinierung zwischen den Kantonen oder den Anschluss an ein grösseres integriertes europäisches Netz erforderlich sein wird.

Autoren

Martynas Bagdonas ist Projektleiter am sus.lab der ETH Zürich.

Oliver Akeret leitet die Dekarbonisierungsprojekte am sus.lab mit den Schwerpunkten Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Dioxide Removal (CDR).

Quellen

[1] CO2NET – Grobes Design und Kostenschätzung für ein CO2 Sammel-Netzwerk in der Schweiz: https://www.aramis.admin.ch/Texte/?ProjectID=4734

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